Algerien Nordafrika

Reisebericht aus dem Sanella-Album Afrika

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Seite 09

Ich jedoch machte die Feststellung, daß diese nicht der Melodie, sondern vielmehr den schaukelnden Bewegungen des Mannes folgte. Es mußte eine große Sache sein, die der alte Marokkaner seinen Landsleuten vorführte, denn überall sah ich aufmerksame Gesichter. Die Sonne brannte so sehr, daß ich meinen Pullover auszog und nur mit einem Turnhemd bekleidet weiterging. Hier gab es schöne Teppiche zu bewundern, dort sah ich, wie Kinder einer alten Frau Melonen aus dem Korb stahlen. Ein paar Mark hatte ich noch in der Tasche. Dafür wollte ich mir einen kleinen Lederbeutel als Andenken anschaffen. Aber niemand kannte unser Geld, und kein Mensch wollte mir dafür etwas verkaufen. Die Sprache der Leute war mir fremd; ich hätte viel darum gegeben, sie zu verstehen. Ich kam nun bald wieder in die Hafengegend. In einer Kneipe, nahe dem Barkassenliegeplatz, schien es besonders lustig zuzugehen. Seeleute aus allen Nationen waren hier vertreten. Und als richtiger Seemann, so dachte ich mir, muß man wohl auch eine Kneipe in Algier besucht haben. So trat ich in einen halbdunklen Raum, der voller Tabaksqualm war.

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Es roch nach Fusel. Der Wirt stürzte sofort auf mich zu. "Oh - deutscher Seemann -, willkommen bei Hadschi Halem", so redete er mich an. Er hatte mich Seemann genannt. Darauf war ich natürlich sehr stolz. Hadschi Halem schob mir ein Glas Schnaps zu. Puh - das war ein Zeug, so scharf wie Knoblauch. Und ich bekam noch ein Glas und immer mehr von dem Schnaps. Bald hörte ich nur noch den Gesang der Seeleute.

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Als ich wieder zu mir kam, lag ich mit einem fürchterlich brummenden Schädel auf einem schmutzigen Hof. Ich mußte lange gelegen haben, denn meine Glieder waren schon ganz steif. Was war passiert? In der Ecke sah ich meinen Pullover liegen, und sofort erinnerte ich mich wieder an alles. So schnell ich konnte, stürmte ich zur Barkasse, die mich zur "Oldenburg" bringen sollte. Aber das Rennen hätte ich mir ersparen können. Mein Schiff hatte ja um Mitternacht die Anker gelichtet und war nach Tripolis weitergefahren. Nun war guter Rat teuer. Auch keinen Pfennig Geld besaß ich mehr. Halem, dieser Schuft, hatte mich betrunken gemacht und mir dann mein ganzes Geld abgenommen. Ich erkundigte mich, wann das nächste deutsche Schiff in Algier eintreffen würde. Damit wollte ich dann der "Oldenburg" nachreisen. Auf der Heuerstelle am Hafen sagte mir der Heuerbaas: "Deutsches Schiff - in drei Wochen." So lange konnte ich nicht warten. Ich beschloß, auf eigene Faust nach Tripolis zu trampen. Es ist sehr schwer für mich zu berichten, was ich während der kommenden Stunden und Tage empfand. Ein gemischtes Gefühl von Heimweh und Abenteuerlust hatte mich gepackt. In der Heuerstelle fand ich eine Karte von Afrika, auf der die wichtigsten Eisenbahnlinien und Straßen eingezeichnet waren. Nachdem der Heuerbaas weggegangen war, riß ich kurzerhand die Karte von der Wand und steckte sie in meine Hosentasche. Bald stellte sich der Hunger ein, und ich marschierte zurück in die Stadt, ins Eingeborenenviertel. Dort hatte ich bei meinem ersten Besuch einen Brunnen gesehen, den ich gegen Mittag wiederfand.

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